12.11.2022
Gedanken zur Woche – Volkstrauertag

Liebe Leserinnen und Leser,

am kommenden Sonntag ist Volkstrauertag. An ihm wird traditionell der Opfer der Weltkriege gedacht. Zum ersten Mal begehen wir den Volkstrauertag in einer Situation, in der in Europa wieder Krieg ist. Deshalb wäre es gut, das Gedenken weiter zu fassen. Jedes Kriegsopfer ist eins zuviel, egal wo und egal zu welcher Zeit.

Im Wort „Volkstrauertag“ steckt das Wort „Trauer“. Da ist die Trauer über das, was Menschen einander antun in Kriegen, angetrieben von Hass, Gewalt und Machtphantasien. Die Trauer über alles was war, aber auch darüber, was hätte sein können, aber nicht sein konnte, weil Leben vernichtet wurden. Trauer über abgeschnittene Möglichkeiten und gewaltsam beendete Perspektiven.

Die Trauer geht einher mit Fragen. Eine Frage, die wir und die vor uns sich sicher alle schon gestellt haben, heißt: „Wie lange noch?“ Wie lange geht denn der Krieg noch?! Das haben unsere Mütter und Großmütter, unsere Väter und Großväter sich im zweiten Weltkrieg gefragt. Das fragen wir heute. „Wie lange noch?“: das fragen wir uns vielleicht auch angesichts eines Schicksals, einer Krankheit, die einen lieben Menschen oder gar uns selbst betrifft. Wieviel Zeit bleibt noch? Auch solche Fragen spielen eine Rolle, wenn wir an den Volkstrauertag denken.

Manche Fragen können einen umtreiben und traurig machen. Manche Erinnerungen auch. Doch in viele unserer Erinnerungen, in manche Trauer mischt sich auch Dankbarkeit. Oft tut es gut und ist es wichtig, sich der Trauer auszusetzen, sie nicht zu ignorieren. Verdrängte Trauer macht hart und gibt der Dankbarkeit, die auch da ist, keine Chance. Ja, die Trauer und die Fragen, die mit ihr einhergehen, können ans Herz gehen, können wie ein tiefer Schnitt sein. Trauer und Fragen schmerzen, können erschrecken und Angst machen. Das ist so. Aber es ist nicht alles und nicht das Ganze.

Ein Wort von Jesus könnte in all dem eine Ermutigung sein: „Euer Herz erschrecke nicht. Glaubt an Gott und glaubt an mich.“ Das bedeutet doch: wenn du einen Halt im Leben hast- für viele ist es nicht mehr Gott oder Jesusu, das ist mir bewusst- dann geht dein Herz nicht unter oder verloren. Dann hat der Schrecken nicht das letzte Wort, dann sind die Trauer und die Fragen nicht das, was dich so umtreiben muss, dass du nichts anderes mehr sehen und denken kannst. „Euer Herz erschrecke nicht“: das geht, das ist möglich. Das ist eine Perspektive.

Ich wünsche uns allen einen gesegneten Volkstrauertag. Einen Halt, der den Schrecken die Macht nimmt.  Antworten auf manche Fragen. Und Ermutigungen gegen die Ängste, die das letzte Wort nicht behalten sollen.

Ihre Pastorin i.R. Barbara Fischer