21.04.2019
Die Nacht ist vergangen

Wort zu Ostern von Superintendent Michael Wegner

Liebe Schwestern und Brüder,

was sind unsere Sehnsüchte und Hoffnungen? Was bewegt uns in unseren Wünschen und Hoffnungen? Wir gestalten unser Leben. Wir bauen Häuser, wir richten uns ein. Entweder hat man schon einen Partner oder man ist ganz ernsthaft auf der Suche. Man entdeckt die Welt und geht auf Reisen. Das erste oder zweite Auto wird angeschafft und man beginnt sich zu ärgern über die Alten, die mit ihrem langsamen Lebenstempo die linke Spur auf der Autobahn versperren.

Menschen gestalten ihr Leben bewusst. Was steckt hinter all diesem Tun? Was treibt uns an? Welche Sehnsüchte und Hoffnungen? In unseren Gärten ist der Frühling voll im Gang. Die Osterglocken, Tulpen und erste Gräser wachsen und gedeihen. Auf den Beeten keimen erste Pflanzen.

Ach, wie kann man es nur anstellen, dass alles so bleibt? Dass die Momente des Glücks stehen bleiben und ewig währen. Ich glaube, dass es eine Sehnsucht tief im Menschen ist, die uns dies alles tun lässt. Eine Sehnsucht, die aus dem Erinnern kommt. Die Erinnerung in uns erzählt uns vom Himmel. Von dem Ort der Gerechtigkeit. Wo alle Sorgen und Ängste aufgehoben sind. Diese Sehnsucht lässt uns suchen. Nach dem Menschen mit dem wir das Leben teilen wollen. Diese Sehnsucht lässt uns paradiesische Gärten anlegen. Mit Blumen und Früchten. Und es ist die Sehnsucht nach Dauer und Ewigkeit, die Menschen antreibt.

Und doch bleibt immer wieder neu die Frage: Ist der Weg, den ich gehe, richtig? Verpasse ich das Leben? Labyrinthe in alten Klostergärten zeigen diese Suche nach der Mitte. Sie waren ursprünglich als Osterbrauch entstanden.

Der Ostermorgen ist dieser Ort der Mitte, der neue Hoffnung gibt. Ewigkeit für unsere unsterbliche Seele. Die Nacht ist vergangen. Das, was uns in unserem Innersten beschwert, das was uns nicht zur Ruhe kommen lässt, liegt im Licht der aufgehenden Ostersonne. Der Herr ist auferstanden. Die Welt erscheint in neuem Licht. Aus den Gärten des verlorenen Paradieses, aus dem Garten des Verrats, aus dem Garten des Todes ist der Garten der neuen Schöpfung geworden.

Ostern hat etwas mit Sehen zu tun. Maria, im Johannesevangelium wird es uns erzählt, sieht Jesus, und aus dem Garten des Grabes wird der Garten der neuen Schöpfung. Das Licht des Ostersonntages spricht zu uns. Wir gehören zu seiner Schöpfung. Wir müssen nicht unsere Werte und Hoffnungen begraben. Wir sind dem Tod nicht ausgeliefert. Die Macht der Finsternis ist gebrochen. Gott spricht zu uns.

Er ist an uns vorbei hinabgestiegen in das Reich des Todes. Sein Licht erfüllt die Welt. Jeder Aufgang der Sonne erinnert uns daran. Christus ist auferstanden. Es gibt eine Wirklichkeit, die immer wieder unter uns aufleuchtet. Wir können sie sehen. Mit unseren Augen. Deren Sehnsucht nach Erfüllung und Ewigkeit einen guten Grund hat. Ich wünsche uns eine gesegnete Osterzeit.

Michael Wegner

Symbolfoto: Ilka Jost