02.05.2017
Ein großer Tag für das kleine Döhlen

600 Jahre Ersterwähnung feierten im Schiefergebirge die Döhlener in ihrer uralten Kirche, gelegen in einem wunderschönen Seitental der Loquitz. Ein Rückblick auf den 30.04.2017 von Manfred Grunewald

Es ist schon erstaunlich, dass 1417 auf einem Konzil in Konstanz am Bodensee Döhlen und zahlreiche andere Orte im Protokoll und damit in einer Urkunde erscheinen, denn man könnte ja denken, dass man dort in dem 4 Jahre währenden Konzil, wo sich Papst und Kaiser zu Gegenwartsproblemen besprachen, nicht vornehmlich Grundstücksangelegenheiten oder Dokumentenstreit in der Provinz, wie sich hier wohl schlussfolgern lässt, besprochen wird.

Es ging also dort nicht nur um die Erhaltung der päpstlichen Lehre, der man auch den geschulten bibeltreuen Christen und Professor Jan Hus aus Böhmen 1415 opferte und im Feuer lebendig verbrannte, damit seine angeblich falsche Lehre vernichtet wird. 100 Jahre später war der Mönch Martin Luther genug geschützt, damit ihm nicht Gleiches widerfahren konnte .

Am 30.04.1417 ging es in Konstanz u. a. um einen Streit zwischen zwei Herrschaftshäusern, die zu Schwarzburg-Rudolstadt gehörten, nämlich Schwarzburg-Leutenberg und Schwarzburg-Wachsenburg mit dem Herrn zu Ranis, der zugleich als kaiserlicher Richter fungierte. Es ging wohl mehr um Briefe und schriftliche Unterlagen aus der Vergangenheit als um Grundstücke und Rechte, aber diese Schriften, um die es ging, enthielten bedeutende Aussagen aus der Sicht dieser Feudalen, hier Schwarzburg-Leutenbergs Lehns- und Zinsdörfer. [Lehnbriefe u. deren Zuständigkeit]

Der Festgottesdienst in Döhlen am 29.04.2017 befasste sich daher mit christlichen Ansichten der evangelisch-lutherischen Glaubensrichtung und nicht mit der damals noch beherrschenden katholischen Glaubenslehre. Pfarrer Gindler gestaltete einen Gedenkgottesdienst, der ökumenische Züge hatte, und auch nicht religiös gebundene Kirchenbesucher mit ansprach.

Den geschichtlichen Aspekt dieser feierlichen Stunde untermauerte der Kirchenälteste der Kirchgemeinde Heinz Ziermann mit seinem Vortrag, dem auch die Vorbereitung des Gedenktages in erster Linie zu danken ist. Die kleine Orgel hatte Verstärkung durch den Posaunenchor, der selbst auch schon 65 Jahre alt ist, und dank der Organisation von Harald Kächele aus Döhlen in der überfüllten Kirche Proben ihres Könnens darboten.

Erfreulich ist daher, dass sich viele Döhlener mit ihren Gästen einfanden, aber auch aus der Ferne kamen ehemalige Döhlener mit Familienangehörigen, die ebenfalls in dieser bedeutenden Stunde mit ihrer Teilnahme den Ort ihrer Vorfahren würdigten.

Der Heilige Nikolaus ist in Döhlen nicht nur am 6. Dezember „präsent“, wenn die braven Kinder beschenkt werden, sondern hat als Schutzheiliger das ganze Jahr „Dienst“ für diesen Ort über all die Jahrhunderte hinweg und für viele Berufssparten. Daher können wir annehmen, dass in früherer Zeit vor allem Händler, Fuhrleute und Reisende, vielleicht auch Pilger hier Halt machten, um Sankt Nikolaus zu würdigen und seinen Schutz für ihre beschwerlichen Reisen zu erbitten.

Von Pfarrer Gindler ist in seiner Predigt trefflich hervorgehoben worden, dass die Bewohner des Ortes über Jahrhunderte, und sicher schon länger als 600 Jahre, für den Erhalt dieser Kirche sorgten und das älteste Haus dieses kleinen Dorfes immer wieder reparierten und den Erhalt des Gotteshauses als Quelle christlicher Anschauung und geistlicher Erbauung sicherten.

Darüber gibt es interessante und aufschlussreiche Nachweise, was schon in der Vergangenheit Albrecht Eschrich und nun auch Heinz Ziermann nachgewiesen haben. So sind auch die jüngsten dendrochronologischen Untersuchungen im Jahre 2013, von 8 Balken dieser Kirche, eindeutige Beweise über das Alter der eingebauten Balken und Gebäudeteile erbracht. Es stellte sich heraus, dass die untersuchten Balken aus folgenden Jahren stammen:
1555/56 und 1556/57    Fällzeitpunkt in evangelischer Zeit nach Luthers Tod
1608    Fällzeitpunkt vor dem Dreißigjährigen Krieg
1651/52    Bau des Daches kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg

Es wurden jene Jahre bestimmt, in denen die Bäume aufwuchsen und vor allem, wann sie gefällt wurden. Es handelte sich bei allen untersuchten Balken um Tannen. Vermutlich gab es damals viel mehr Tannen im Baumbestand und das Klima dürfte gerade für den Tannenaufwuchs besonders günstig gewesen sein in diesem wunderschönen Waldgebiet des Thüringer Schiefergebirges. Mit Hilfe von Benediktinermönchen aus Saalfeld wurde ehemals das Gebiet besiedelt, was zu Ortsgründungen führte, was aber nicht alles schriftlich festgehalten wurde. Daher dürfen wir annehmen, dass Döhlen und vor allem seine Kirche viel älter sind, denn der Ortsname geht auf das slawische Wort Dol = Tal, Dolen (1417) = Talbewohner, zurück. Dieser Wortstamm führte in Sachsen und Thüringen zu zahlreichen gleichen Ortsnamen.

Die Leutenberger Herren haben Döhlen 1446 tauschweise den Besitzern des Edelhofes in Schweinbach, den Herren von Lengefeld „überlassen“.  Daher gibt es über geraume Zeit eine Bindung an die Familie Lengefeld zusammen mit den Dörfern Schweinbach, Arnsbach und Laasen. Ihnen waren die Lehnbauern lehen-, zins- und gerichtspflichtig. 1747 kamen diese Besitzungen wieder direkt an Schwarzburg-Rudolstadt und verblieben dort bis 1920, als das Land Thüringen gegründet wurde.

Aber zur Döhlener Kirche mit ihrem Flügelaltar „Saalfelder Schule“, etwa aus dem Jahre 1510/1515, ist doch noch etwas mehr zu sagen, denn ob wir nun gläubig sind oder nicht, die Kirchen haben in der Entwicklung der Gemeinden oft eine größere Rolle gespielt, als wir landläufig heute wahr haben wollen. Im Zuge der Reformation wurden häufig die bildlichen Darstellungen und Skulpturen aus katholischer Zeit in den Kirchen beseitigt und in unserem Falle oben auf der Sakristei verwahrt, von wo der Altaraufbau im 19. Jh. wieder an seine ursprüngliche Stelle gelangte.

Dieser Altar mit seiner großartigen Altarschnitzerei und -malerei, die bereits vor 500 Jahren entstand und unzählige Generationen des kleinen Dorfes Döhlen gesehen haben, ist daher etwas Besonderes in dieser Kirche. In der Werkstatt des Hans Gottwalt in Saalfeld soll der Döhlener Altar entstanden sein. Dieser Gottwalt war ein Schüler des berühmten Schnitzers Tilman Riemenschneider. Gottwalt brachte aus dem Fränkischen neue Ideen mit nach Saalfeld, wo er sich niederließ.

Joh. Georg Friedrich Fiedler hatte als Schultheiß von Döhlen 1835 mit zu verantworten, dass eine gebrauchte Orgel im Ort Fischersdorf an der Saale gekauft wurde, die mit einem Ochsengespann über die Saalebrücke nach Breternitz und dann über die Berge nach Döhlen transportiert wurde. Pferde gab es damals in Döhlen nicht. Der Name Fiedler hat sich in den letzten Jahrzehnten durch diese Großfamilie vielfach verankert in dem kleinen Dorf.

So könnte man noch manche Einzelheit der dörflichen und kirchlichen Entwicklung hinzufügen.     

Die Döhlener Kirche war stets eine Filialkirche von Unterloquitz. Die Menschen im Ort ernährten sich durch Landwirtschaft, Handwerk und später vor allem durch die Arbeit im Schieferbruch. Mit der Eisenbahn kamen auch weitere Arbeitsplätze in Betracht in der nahen Industrie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten 50 Prozent mehr Menschen in dem Dorf als vor dem Krieg, denn Vertriebene und Umsiedler benötigten eine neue Bleibe nach der Vertreibung. So waren täglich 24 Kinder unterwegs in die Schulen Arnsbach und Schaderthal, wo sie oft nur mit der Schiefertafel unter dem Arm barfuß zum Unterricht liefen. Kalte schneereiche Winter erhöhten noch die Herausforderungen in einer Zeit der Einschränkungen, des Hungers und der Wohnungsknappheit.
Heute denken viele noch an jene Jahre zurück, die zugleich auch eine Zeit des Aufbruchs waren. Daher haben auch ehemalige Döhlener und ihre Nachkommen den Tag der 600-Jahrfeier hier miterleben wollen.
Allen Einwohnern, die diesen denkwürdigen Tag mit vorbereiten und ausgestalten halfen, die für das Schmücken des Dorfes sorgten, auch Gäste bewirteten und herzliche Gespräche zwischen Einwohnern und Besuchern ermöglichten, gilt mein Dank.

Dieser Artikel erschien leicht gekürzt in der Ostthüringer Zeitung.


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Festveranstaltung in der Kirche - Pfarrer Bodo Gindler Festveranstaltung in der Kirche - Pfarrer Bodo Gindler CC Manfred Grunewald Vor der Kirche Vor der Kirche CC Manfred Grunewald Vor der Kirche Vor der Kirche CC Manfred Grunewald Am Wege Am Wege CC Manfred Grunewald Am Wege Am Wege CC Manfred Grunewald