22.04.2023
Misericordias 2023

Es war schon dunkel. Der Schneeregen, der mich auf meiner Fahrt in das kleine Dorf inmitten grauer Hügel begleitet hatte, klopfte an die Fenster. Wir waren zu dritt um den Tisch versammelt und sprachen über die Texte des Hirtensonntags. Die Texte erzählen von Gott als dem guten Hirten. Von der Hoffnung und dem Vertrauen, dass uns Menschen bewegt, wenn wir über Gott und seinen Weg mit uns nachdenken.

Gerade wenn die Zeiten unruhig sind, wenn die Zukunft wie eine dunkle Wand sich vor unseren Augen aufbäumt, fragen wir ob da etwas ist, das uns behütet. Gibt es Hoffnung inmitten einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint. Es fällt uns schwer Vertrauen zu haben. Dafür gibt es gute Gründe. Eine Krise jagt die Nächste. Pandemie und Seuchen kommen nicht zur Ruhe. Die Waffen des Krieges bringen, mittlerweile in vielen Ländern der Welt, Tod und Verderben über Menschen, die gestern noch friedliche Nachbarn waren. Folgen von Krieg und Umweltzerstörung bedrohen Menschen, die eigentlich nur ein ganz normales Leben führen wollen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Oder sie stirbt eben nicht. In den Texten der Bibel erzählen Menschen von einer Hoffnung, die gegen allen äußeren Anschein, sich in kraftvollen Bildern entfaltet.

„Der Herr ist mein Hirte….“  Das Wort des Beters in dem 23. Psalm der Bibel ist so ein Bild. Es gilt auch für uns heute. Darin waren wir uns einig, an jenem Abend im Spätwinter in jenem kleinen Dorf. Im Laufe des sehr intensiv geführten Gespräches erzählte einer der beiden Männer davon, dass ihn das Bild des Stabes aus dem Psalm gedanklich immer wieder begleitet. „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, dein Stecken und Stab trösten mich…“  Es war ein für mich ungewohnter und doch irgendwie vertrauter Gedanke. Ein Stock, der den Weg erkundet. Für einen Bekannten von mir, der seit seiner Geburt nicht sehen kann, ist das Vertrauen in seinen Führstock etwas völlig Normales. Der Stock zeigt ihm den Weg. Er ist es, der vor Hindernissen warnt. Er ist es, der ihm zeigt, wo es weitergeht. Auch jeder Hirte hat so einen Stock. „Dein Stecken und Stab trösten mich…“

Vielleicht ist es auch die Erinnerung, die den Beter des Psalms bewegt. Es war der Stab des Mose, der sein Volk, so haben es seine Vorfahren ihm erzählt, durch die Wüste geführt hat.

Woran erinnere ich mich? Sollte Gott, der mich und meine Vorfahren immer wieder behütet hat, dies nicht auch in Zukunft tun?

Der gute Hirte gehört zu den ältesten Darstellungen Jesu Christi. Die ersten Christen haben uns dieses Bild in den Katakomben von Rom hinterlassen. Es hat ihnen Hoffnung gegeben in ihrer Welt, die voller Gewalt und Verfolgung war. Wenn sie in diesem Jahr eine Taufe in unseren Kirchen, hier im Landkreis besuchen, können sie Becher sehen, die jene ersten Christen hatten und die sie ihr ganzes Leben begleitet haben. Jeder, der in diesem Jahr getauft wird, bekommt einen als Geschenk. Auf ihnen ist Christus als der gute Hirte zu sehen. „Der Herr ist mein Hirte…“

Wir haben noch lange gesessen und erzählt. Von unseren Sehnsüchten und Hoffnungen. Von vielem Schönen, dass wir erlebt haben. Von Menschen, die uns wichtig geworden sind.

Auf der Fahrt zurück kam es mir nicht mehr ganz so dunkel vor. Und der Schneeregen erzählte mir vom Ende des Winters. Amen